Das Ende naht…

Oh je, mir scheint ich habe jetzt wohl einiges aufzuholen… aber besser jetzt als nie, sonst geraten die ersten Dinge in Vergessenheit!

Die Ferien liefen relativ ereignislos, bis zu Felix und meinem Ausflug auf die Farm seiner Gastfamilie. Sein Gastonkel David wohnt in der Nähe von Hastings zusammen mit seinen erwachsenen Söhnen auf einer riesigen Schaf- und Kuhfarm. Wir zwei mussten natürlich auch aushelfen, zu dieser Zeit stand das sogenannte docking (wohl am besten übersetzt mit Ankoppeln) an. Zu dieser Zeit noch Frühling, rannten überall die Lämmer herum und nachdem diese von den Hunden zusammen und zu uns getrieben wurden, durfte der Spaß beginnen. Sortieren in Lämmer und ausgewachsene Schafe und dann gingen die Jungtiere eins nach dem anderen in die „Rutsche“, ein spezielles Gestell, das die Tiere in der richtigen Position für die kommende Prozedur halten sollte. Hierbei wurden Ringe um die Hoden gelegt, die Ohren markiert, die Schwänze abgeschnitten und die „schwarzen Schafe“ – eigentlich nur die mit schwarzen Punkten – aussortiert. Ich kann wohl mit Sicherheit sagen, dass ich mich über diese Zeit an äußerst engen Kontakt mit den Verdauungsendprodukten von Schafen gewöhnt habe und pingelig sein durften wir wirklich nicht. Sonst gibt es einen der Hufe ins Gesicht und man darf dasselbe Lamm nochmal einfangen.


Wer sich fragt warum die Schwänze abgeschnitten werden, wird die Erklärung wahrscheinlich nicht übermäßig mögen. Die Ausscheidungen der Lämmer blieben ganz gerne in ihren Schwänzen hängen und sorgten nicht nur für ein grundsätzliches Problem in der Hygiene, sondern stellten auch einen wunderbaren Boden für eine in Neuseeland kommende Insektenart dar. Diese Insekten würde ihre Eier in den Kot auf den Schwänzen legen und die Larve selbst würde sich in das Fleisch des Schafes fressen und den gesamten Schwanz entzünden. Die rigorose Gegenmaßnahme der meisten Bauern hier ist pauschal sämtlichen Lämmern die Verlängerung ihrer Wirbelsäule mit einem heißen Eisen zu entfernen; was von Felix nur mit „smells a bit like bacon“ – „riecht ein wenig wie Bacon“ kommentiert wurde. Ich konnte mich diesem Urteil nicht wirklich anschließen und sah mich nur darin bestärkt, dass eine Existenz als Vegetarier für mich wohl durchaus eine gute Wahl wäre. Um das ganze noch zu toppen fragte mich die ganze Truppe, ob ich heute Abend nicht gekochten Lammschwanz testen wollte – diese werden hier als Delikatesse unter den meisten Maori gehandelt. Ich kann nicht verstehen, was man an einer unglaublichen Menge Fett um Knochen herum als appetitlich ansehen kann und so sah ich in den nächsten Tagen zweimal hin, wenn Fleisch auf den Tisch kam.
Die Morgen verbrachten wir auf den Feldern beim Andocken und am Nachmittag schwang ich mich zumeist auf das Motorrad des Gastcousins – aka Davids Sohn – und machte die umliegenden Felder unsicher. Felix war weniger begeistert von der Vorstellung, auf nur zwei motorisierten Rädern durch die Gegend zu sausen und nachdem wir es dann kurzerhand versuchten, zu zweit auf dem Motorrad zu fahren – und uns auf der Steile der Hügel einige Fehlversuche beschert wurden – besann er sich doch festen Boden unter seinen Füßen zu behalten.
In der Galerie werde ich gleich noch Fotos von unserem Farmerlebnis hochladen, gebt mir ein paar Minuten.

Nach Ende unserer Zeit auf der Farm – und auf Hinreise und Rückreise noch kurze Stopper auf dem Weg, jedoch nicht Berichtenswertes darunter – waren die Ferien auch schnell vorbei. Term Vier kam und ging, aber da sind dann doch noch einige Dinge, die ich festhalten sollten.
Term Vier an einer Schule in Neuseeland ist ziemlich kurz, wenn man zu den Seniors (den Senioren, hier einfach jeweils die ältesten an der Schule, im College Jahr 11 bis 13) gehört. Diese haben dann nämlich ihre Examen und wer gerne mal einen Blick auf unseren „Stundenplan“ für diese werfen will, klickt am besten hier. Zur Erklärung: Level 1 bis 3 entspricht jeweils der Klasse 11 bis 13 und Scholarship sind Extraexamen, für die man sich einschreiben kann, die ein tieferes Verständnis des Themas (Unilevel) erfordern und bei gutem Abschneiden Stipendien für das Studieren in Neuseeland versprechen.
Ich durfte Antanzen für – in dieser Reihenfolge – Englisch, Wirtschaft, Statistik, Deutsch, Analysis Scholarship, Analysis, Physik, Drama. Gerade die letzten drei – darunter meine zwei wichtigsten, Analysis und Physik – fanden im Zeitraum von zwei Tagen statt und hielten mich von daher gut auf Trab.
Aber ich springe schon wieder in der Zeit, denn wer mit den Daten aufgepasst hat, stellt fest, dass die Examen hier gerade erst vorüber sind (oder genauer vorüber gehen, nur habe ich bereits alle geschrieben). Daher gehe ich nochmal zurück zu Anfang Term Vier.
Mit der Realisation, dass da nur noch dreieinhalb Wochen Schule wären, bis die Externals (extern geprüften Examen von denen ich gerade schrieb) anfangen würden, mussten Felix und ich feststellen, dass unsere Internals (intern geprüften Examen) jetzt alle eingehändigt werden müssten. Damit kam natürlich einiges an Stress und so musste wir uns erst mal drei Wochen mit allerlei Arbeiten herumschlagen, die zu erledigen waren.
Erwähnenswert wäre wohl noch das sogenannte Study Camp (Studiercamp) für alle Dreizehner. In drei Tagen gehen die Lehrer in einer nahen Jugendherberge – dementsprechend mit Übernachtung dort – sämtliche Uni-relevanten Fächer durch. Um Uni-relevant eben zu erklären: da ein College in Neuseeland ja quasi eine Gesamtschule ist, werden hier auch Fächer angeboten, die auf sehr „praktische“ Berufe vorbereiten, wie Holzbearbeitung, Skulpturen, Kochen etc. Mit diesen wird man natürlich nicht in eine Uni aufgenommen und daher haben diese auch eine geringere Gewichtung und werden nicht im Study Camp behandelt.
Also zurück zum Camp: jeden Vormittag, jeden Nachmittag und jeden Abend gibt es eine drei Stunden lange Sitzung für jeweils ein Fach, in dem der Lehrer den gesamten Inhalt des Jahres noch einmal zusammenfasst, wir ein paar Examen der letzten Jahre durchsprechen, unsere Fragen beantwortet werden und ein Gastsprecher vorbeikommt, um unser Wissen zu erweitern. Klingt viel für nur drei Stunden? Ist es auch, aber irgendwie scheint es immer zu funktionieren und ich kann nicht abstreiten, dass es durchaus hilfreich war.
Kurz darauf schloss auch die Skipiste; genauer am folgenden Wochenende und ich hatte meinen letzten Tag auf Whakapapa. Es macht mich traurig, darüber nachzudenken, denn damit wurde es mir eigentlich klar, dass meine Zeit hier zu Ende geht. Anderthalb Jahre ein neues Leben aufzubauen und dann feststellen zu müssen, dass man es wieder aufgeben muss, ist ein grausames Gefühl aber auch eine wunderschöne Erfahrung.
Aber gut, machen wir im Kapitel Schule weiter. Nach dem Ende dieser dreieinhalb Wochen gab es dann das prize giving (die Preisverleihung), bei der die einzelnen Schüler für ihre akademischen Leistungen über das Jahr ausgezeichnet wurden. Wer bei der Chronologie vorsichtig ist, wird feststellen, dass die tatsächlichen Examen zu diesem Zeitpunkt noch garnicht geschrieben waren. Die Preise werden hierbei auf den Ergebnissen der Vorexamen basiert; aus meiner Sicht daher wenig repräsentativ, aber das einzig wirklich umsetzbare, da die Ergebnisse unserer tatsächlichen Examen erst Ende Januar bis Anfang Februar veröffentlicht werden. Zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Schüler hier bereits auf dem Weg zur Universität – die Bewerbungen für die Uni hier werden mit den Zeugnissen von Jahr 12 durchgeführt – und damit nicht mehr in Reichweite. Eine sehr langatmige Veranstaltung aber sicherlich für die Gewinner eine gute Erfahrung.

Vor anderthalb Wochen brach hier auch Mount Tongariro aus; nichts großartiges, der größte Bestandteil war eine Aschewolke, die auf der anderen Seite des Sees sichtbar war. Aber durch die ganze Asche in der Luft wurde das Sonnenlicht in der Dämmerung anders gebrochen und wir hatten einen wahrlich blutroten Sonnenuntergang. Felix und ich konnten es uns nicht nehmen lassen, der Sonne zu folgen und einige Fotos dieses Geschehnisses zu machen. Siehe auch hier die Galerie.

Die Examen sind für mich inzwischen rum, vor genau einer Woche wurde das letzte geschrieben und so bin ich jetzt offiziell mit der Schule fertig. Damit uns nicht langweilig wird, haben Felix und ich das Angebot angenommen, einem unserer Lehrer im Garten zu helfen und die Hecke zu schneiden. Zurückblickend vielleicht nicht die beste Entscheidung, wenn man sich der Länge von mehreren hundert Metern und der knappen drei Meter Höhe bewusst wird, aber jetzt sind wir mit drin. Dritter Arbeitstag war heute und wir werden wohl morgen nochmal losziehen müssen; Felix mit motorisiertem Heckenschneider an den Seiten und ich auf der Hecke selbst balancierend die Spitze schneidend. Nach seiner Aussage sah das wohl auch sehr artistisch aus und ich kann mir das bei einem aufkommenden Sturm auf der Spitze eines Hügels nochmal weitere drei Meter vom Boden gut vorstellen. Durchgeschüttelt wird man genug und zum dritten mal bin ich inzwischen vom Wind runtergeblasen worden.

Heute morgen haben sich meine Gastfamilie und ich zum Huka Falls Jet aufgemacht; Jet Boat fahren auf dem Waikato River und bis zu den Huka Fällen hoch. Mit 80km/h über den Fluss, nur noch 10cm an Wasser verdrängend und keine 5cm bis zu den Felswänden an denen wir vorbeischrammen. Adrenalin kommt doch ein wenig auf – auch wenn man das Gefühl für Geschwindigkeit und Nähe zu den Wänden schnell vergisst – und meine Kamera durfte ich glücklicherweise mitnehmen.
Gut, was lässt sich sonst noch über die letzte Zeit sagen? Leider nicht viel, es ist klar, dass sich mein Austausch dem Ende zuneigt und so fühlt es sich hier auch langsam an. Die letzten Vorbereitungen für die Ankunft meiner Eltern finden statt, ich sortiere mein Hab und Gut in die Stapel die ich mitnehmen kann, und jene, die es nicht wert sind/nicht mehr benötigt werden/zu schwer sind. Allerlei Kleinigkeiten werden weggegeben, verkauft oder auf TradeMe gesetzt (neuseeländische Version von eBay). In einer Woche kommen sie hier an und damit leitet sich die letze Phase meines Aufenthaltes ein.
Felix und ich planen unsere Abschiedsfeier in den heißen Quellen nahe meines Zuhauses und dafür haben wir den Grill bereits gemietet. Man sagt den ersten Menschen auf Wiedersehen, mit dem Wissen, dass man viele von ihnen für Jahre oder sogar gar nicht wiedersehen wird. Ich werde hier nur sentimental und sollte wohl besser versuchen die letzte Zeit noch zu genießen.

Ich wünsche euch vorerst noch ein schönes Wochenende und ich melde mich hoffentlich noch einmal bevor es auf die Rundreise geht! Schönen ersten Advent – hier ist es einfach zu warm, um Weihnachtsgefühle aufkommen zu lassen – und lasst es euch gut gehen.